27. Juli 2011 / 22:07
Autor:  Christian Taubert

Wenn der Lausitzer Löschzug stehen bleiben muss

Den freiwilligen Feuerwehren in Brandenburg und Sachsen gehen zunehmend die Fahrzeugführer für die schwere Technik aus.

Den freiwilligen Feuerwehren in Brandenburg und Sachsen gehen zunehmend die Fahrzeugführer für die schwere Technik aus. Nach der EU-Führerscheinreform dürfen sie diese nicht mehr lenken. Abhilfe soll der ohne Ausbildung erworbene „Feuerwehrführerschein“ schaffen – auch für Blaulichtfahrten. Doch Verkehrswacht und Fahrlehrerverbände haben erhebliche Bedenken. Das Szenario ist keineswegs aus der Luft gegriffen: Eine freiwillige Feuerwehr wird zum Waldbrand-Einsatz gerufen. Die Kameraden sind bereit zur Abfahrt und dennoch geht es nicht los, weil keiner der Anwesenden zum Führen der schweren Technik berechtigt ist.

Hintergrund dafür ist: Bis zur EU-Reform von 1999 gab es den Führerschein der Klasse drei. Damit war man berechtigt, Lkw bis 7,5 Tonnen Gesamtgewicht zu führen. Dieser 3er-Führerschein wurde in die Klasse B umgewandelt, was zur Folge hatte, damit nur noch Pkw und Lkw bis 3,5 Tonnen fahren zu dürfen. Viele Feuerwehrfahrzeuge sind aber schwerer als 3,5 Tonnen. Wenngleich der Gesetzgeber für Besitzer des 3er-Führerscheins eine Besitzstandsregelung gewährte, „hat hier das Dilemma für die Ehrenamtler in den Rettungsdiensten begonnen“, erläutert der Chef der Brandenburger Verkehrswacht, Jürgen Maresch. „Je mehr 3er-Besitzer ausgeschieden sind, desto prekärer wurde die Lage: Wer sollte künftig die schwere Rettungstechnik führen?“

Die Reaktion von Bund und Ländern: 2009 wurde der sogenannte „Feuerwehrführerschein“ eingeführt, der eine Ausnahme vom EU-Recht darstellt. Dass nach nur vier Stunden Ausbildung wieder Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen gelenkt werden dürfen – allerdings nur im Einsatz bzw. Katastrophenfall –, ließ die Feuerwehrvertreter aufatmen. „Damit wurde der Zustand von vor 1999 wieder hergestellt“, sagt der Geschäftsführer des Brandenburger Feuerwehrverbandes, Jörn-Henrik Kuinke. „Uns haben immer mehr Fahrer gefehlt.“ Für den Chef des Brandenburger Fahrlehrerverbandes, Bernhard Katritzki, widerspricht diese Verfahrensweise „dem Anliegen der Verkehrssicherheit“. Und sein sächsischer Amtskollege Andreas Grünewald spricht „auf keinen Fall von Ausbildung. Das ist lediglich eine Einweisung durch einen anderen Kameraden“. Jener Feuerwehrmann müsse sich zudem darüber im Klaren sein, dass er bei der Notausbildung der Fahrzeugführer ist.

Der Bund geht nun noch einen Schritt weiter und will Einsatzfahrern von Feuerwehren, Rettungs- und technischen Hilfsdiensten Blaulichtfahrten mit Kleinlastwagen bis 7,5 Tonnen erlauben. „Ohne Führerscheinausbildung durch qualifizierte Fahrlehrer“, fügt Maresch hinzu, der für die Linke im Potsdamer Landtag sitzt und Innenminister Dietmar Woidke (SPD) in einer Kleinen Anfrage auf die Gefahren dieser „Schnellbesohlung“ hingewiesen hat. Doch der Minister sieht sich auf der sicheren Seite und unterstützt das Bundesratsverfahren zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes.

„Was hier durchgezogen wird, ist nicht im Sinne der Verkehrssicherheit“, gibt Jürgen Maresch die Auffassung seiner 500 Ehrenamtler der Verkehrswacht wieder, die der Fahrlehrerverband teilt. „Einsatzfahrer unter Blaulicht haben ein achtfach höheres Unfallrisiko – vier Stunden Ausbildung sind unverantwortlich.“

Den Ausweg sieht Feuerwehrverbands-Geschäftsführer Kuinke in der Mitfinanzierung der Führerscheinklasse C (Lkw über 7,5 Tonnen) durch die Aufgabenträger, meist die Kommunen. In seinem Wohnort Schulzendorf (Teltow-Fläming) würden ein Drittel der Kosten (1400 bis 2200 Euro), die ein Kamerad der freiwilligen Feuerwehr dafür aufwenden muss, übernommen. Für so manchen Kameraden ergebe sich damit auch eine neue berufliche Perspektive, gibt Kuinke zu bedenken. Doch Maresch will auch das Land mit in die Pflicht nehmen, „eine rechtssichere Ausbildung zu garantieren“.

Darauf setzt auch Andreas Grünewald. Sachsens Fahrlehrerverband habe dem Innenministerium Hilfe bei der Ausbildung der Kameraden angeboten. Auf Antwort wartet er noch. „Nichts ist kritischer“, sagt Grünewald, „als wenn die Feuerwehr auf dem Weg zum Einsatz einen Unfall hat“. Und das, weil der Fahrzeugführer schlecht ausgebildet ist. Quelle: Lausitzer Rundschau

Foto: Holger Neumann (Archiv)