Feuerwehr wird immer öfter zum Tür-Notöffner

Unterschiedliche Erfahrungen bei der Personenrettung / Mehrheit der Einsatzkräfte: Leitstelle alarmiert "sensibel"

Elbe-Elster: Das Szenario ist meist ähnlich: Eine hilfsbedürftige Person in der Wohnung, die nicht allein in der Lage ist, die Tür zu öffnen. Dann informiert der Rettungsdienst die Leitstelle, die wiederum die Feuerwehr zum Einsatz schickt. Oft alarmiert die Leitstelle auch gleich beide Einsatzkräfte. Insgesamt nehmen Tür-Notöffnungen zu. Finsterwaldes Stadtbrandmeister Michael Kamenz sieht in den Hilferufen, die zum Öffnen von Türen abgesetzt werden, inzwischen "ein großes Problem", wie er vor den Finsterwalder Stadtverordneten kürzlich verdeutlicht hat. "Das ist einfacher, als einen Schlüsseldienst zu alarmieren und vor allem kostenfrei", konstatiert Kamenz. Etwa 90 Prozent dieser Einsätze würden bereits in der Anfahrtsphase der Wehr abgebrochen, weil sich inzwischen eine andere Lösung des Problems ergeben habe. Ein Riesen-Problem bestünde in der Wirkung auf die Kameraden. "Die Akzeptanz geht verloren", so Kamenz. Immerhin würden 20 bis 25 Kameraden alarmiert, die dann frustriert noch auf dem Wege zum Einsatz zurückgerufen werden. "Hier müssen wir gemeinsam mit der Stadt dringend eine Lösung finden", appelliert der Stadtbrandmeister. Auch Elsterwerdas Ortswehrführer Daniel Neubert spricht von steigenden Einsatzzahlen bei Türnotöffnungen. Doch seinen Erfahrungen nach alarmiere die Rettungsleitstelle in Cottbus sehr sensibel. "Es gab wenig Einsätze, wo wir am Ende dann doch nicht benötigt wurden." Die Elsterwerdaer rücken mit voller Kapelle, so auch mit der Drehleiter, aus. "Wir versuchen immer, mit möglichst geringem Schaden in die Wohnungen zu kommen. Mitunter sind der Weg über den Balkon und das Fenster der bessere Weg." Zudem hätten die zwei Großvermieter der Stadt der Feuerwehr ein Spezialwerkzeug finanziert. Das erlaube das türschonendere Verfahren. Kreisbrandmeister Steffen Ludewig bezieht klar Position: "Wenn Gefahr im Verzug ist, helfen wir sofort." Das betreffe sowohl hilfebedürftige Personen hinter verschlossenen Türen als auch Gasgeruch hinter verschlossener Tür. Diese Einsatzlage treffe aber nicht zu, wenn zum Beispiel eine Person längere Zeit nicht gesehen wurde. Eine Situation, die Daniel Neubert aus seiner polizeilichen Arbeit kennt. Hier setze erst eine Rundumermittlung ein. Könnte die Person im Krankenhaus oder verreist sein? Im Prinzip sei das dann eher ein Fall für den Schlüsseldienst. Oft sei vor Ort abzuwägen. Wenn ein Fenster angeklappt ist, ein Radio hinter der Tür dudelt oder ein Handy in der Wohnung klingelt, und niemand geht ran, sowie der Alarmierende mit sehr großer Sicherheit weiß, dass die betreffende Person zu Hause ist und an einer Krankheit leidet, müsse schon von einer Notsituation ausgegangen werden. "Hilfeleistungen sind auch bei der Herzberger Wehr keine Seltenheit", so Stadtbrandmeister Christian Schurbert. "Wir helfen zum Beispiel mit dem Hubretter durchs Fenster, wenn der Rettungsdienst mit der Trage nicht durch enge Treppenhäuser kommt. Es kommt auch vor, dass bei älteren Menschen, die die Armbänder für den Notruf tragen, diese Bänder aus verschiedenen Gründen abreißen. Dann werden wir sofort alarmiert, denn es könnte diesem Menschen ja etwas zugestoßen sein. Auch Nachbarn melden sich bei uns, wenn sie jemanden in der unmittelbaren Umgebung lange nicht gesehen haben", sagt der Stadtbrandmeister. Ein bewusstes Ausnutzen der Feuerwehr oder gar eine Türöffnung, um den Schlüsseldienst zu sparen, sei ihm aber noch nicht untergekommen, so Christian Schurbert. Türöffnungen werden auch bei den Kameraden der Stadt Falkenberg immer öfter Thema. "Kein Wunder. Die Bevölkerung wird immer älter. Viele Senioren wohnen allein", sucht Stadtbrandmeister Sören Diecke nach Erklärungen für diese Tendenz. Aus seiner Sicht sei es nur gut, dass dann wenigstens noch besorgte Nachbarn reagieren und Hilfe rufen würden. Weil es auch bei diesen Einsätzen um das Retten von Personen gehe, hätten die Kräfte vor Ort damit kein Problem. "So manchen Menschen haben wir damit schon aus einer bedrohlichen Situation retten können", freut sich Diecke. Und weil der Winter naht, rückt auch ein anderes Szenario für die Feuerwehren wieder ins Blickfeld: die Gefahr von Dachlawinen und das Abschlagen von Eis. Auch da sagt der Kreisbrandmeister klipp und klar: "Wenn Gefahr im Verzug ist, helfen wir umgehend." Daniel Neubert hat auch da in Elsterwerda gute Erfahrungen gesammelt: "Um das Meiste kümmert sich der Bauhof. Wir haben als Feuerwehr nicht das Gefühl, als ,billige Arbeitskräfte' angefordert zu werden." Quelle: lr-online.de

Foto: Ho. Neumann (Archiv)