27. Juli 2016 / 12:07
Autor:  Kathleen Weser

Feuerwehr-Einsatz im tiefen Brunnenschacht

Kameraden trainieren in Senftenberg das Bergen eines verunglückten Arbeiters / Stadtwehrführer zufrieden

In "Anna-Mathilde" ist ein Mann in akuter Gefahr. Für Wartungsarbeiten ist er in die Tiefe des Horizontalfilterbrunnens, der an der Senftenberger Güterbahnhofstraße den Grundwasserstand niederhält, gestiegen. Der Arbeiter ist nicht mehr ansprechbar. Die Feuerwehr rückt an – zu einer Übung, die nicht alltäglich ist. Die vier Horizontalfilterbrunnen, die das gefährlich aufsteigende Grundwasser vom Senftenberger Stadtgebiet fern halten, sind ausschließlich Arbeitsplätze für zwei Personen. Zur Sicherheit. Das betont Stephanie Henschke, die Projektingenieurin des Umweltbüros Vogtland (UBV). Sie ist für die Kontrolle der gewaltigen Brunnen zuständig, die in Regie der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) arbeiten. Täglich werden die Anlagen geprüft, halbjährlich gewartet. Bei einem dieser Einsätze ist jetzt ein Notruf abgesetzt worden. Einen Bewusstlosen im 20 Meter tiefen Schacht, dem über 60 Meter lange Filterstränge das anströmende Grundwasser zuläuft, muss der freiwillige Löschzug Senftenberg der Feuerwehr retten. Ein Angriffstrupp mit drei Einsatzkräften geht vor. Dessen Rettungstrupp steht bereit. Andere Kameraden machen sofort die Trage und den dreifachen Flaschenzug, mit dem der Verletzte aus dem Schacht gezogen werden soll, startklar. Der Einstieg in den modernen Brunnen ist von komfortabler Größe. In Hoyerswerda haben die Kameraden, die ebenso einmal jährlich unter Atemschutz den Ernstfall trainieren müssen, deutlich weniger Platz als die Senftenberger. Die sind über drei Arbeitsebenen flott unterwegs in die Tiefe, um dem bewusstlosen und vielleicht auch verletzten Arbeiter zu Hilfe zu eilen. Doppelt gesichert gegen den Absturz. Zuerst werden Luftmessungen im Schacht durchgeführt. Sauerstoffmangel, schwefelhaltige Stoffe (austretende Faulgase) sowie Kohlenmonoxid und Kohlendioxid-Konzentrationen werden mit der mobilen Feuerwehrtechnik ergründet. "Gearbeitet wird in Schächten und Kanälen aber generell nur unter Atemschutz", erklärt Rüdiger Zernick. Der Brandschutz-Experte beobachtet den Einsatz genau. Denn Schwachstellen gilt es zu finden, damit im Ernstfall auch jeder Handgriff sitzt. Mit doppeltem Luftvorrat geht es abwärts. Denn der Sauerstoff aus der Flasche muss auch für den Rückweg reichen. 20 bis 30 Minuten können die Kameraden, je nach individuellem Atemvolumen, am Stück arbeiten. Spätestens beim Ton der Warnpfeife muss der Rückweg angetreten werden. Der ist das Zeichen dafür, dass der Luftvorrat für den Retter zu Ende geht. "Der Einsatz ist auch körperlich anspruchsvoll", bestätigt Rüdiger Zernick. Die Spezialausbildung für die einfache Rettung aus Höhen und Tiefen gehört zum Abc der Feuerwehrleute. "Und jeder Kamerad muss auch hier alles können", erklärt der erfahrene Feuerwehrmann. Neben dem Brunnen "Anna-Mathilde", der das Laugkfeld und das östliche Stadtgebiet trocken hält, können auch "Bertha" in der Badstraße, "Elisabeth" an der Rathenau-Schule und "Victoria" in der Vogelsiedlung die Kameraden in der Tiefe fordern. Der mit 75 Kilogramm relativ leichte Arbeiter wird von der dritten Arbeitsebene im Brunnen, die genau 16 Meter unter der Erdoberfläche liegt, akkurat geborgen. Und Stadtwehrführer Frank Albin zeigt sich am Ende der schweißtreibenden Rettungsübung sichtlich zufrieden. Die ausschließlich ehrenamtlichen Kameraden haben einen guten Job gemacht. Aber: "Künftig müssen wir bei Einsätzen wie diesem Repiter einsetzen. Die Funkkommunikation ist zu schwach", stellt Frank Albin auch fest. Dafür, dass die Einsatzkräfte am Horizontalfilterbrunnen absolutes Neuland betreten haben, hat "alles sehr gut geklappt", lobt er. "Eine Übung wie diese gehört einmal im Jahr zum Pflichtprogramm der Feuerwehr. Das fordert der Betreiber", bestätigt Stephanie Henschke. Und auch die Kontrolleurin geht mit einem guten sicheren Gefühl nach Hause. Quelle: lr-online (Lausitzer Rundschau)

Foto: Steffen Rasche